Gespräch mit Sensei Kase

Niedergeschrieben von Graham Nobel, Belgien, April 2000

Eigentlich traf ich Taiji Kase zwanzig Jahre früher, als ich die Gelegenheit hatte, mit ihm über die Entwicklung von Shotokan-Karate zu sprechen. Für mich war es eine faszinierende Unterhaltung, aber unglücklicherweise dauerte sie nur ungefähr zwanzig Minuten und seit dieser Zeit wollte ich ihn nochmals treffen, da Kase von allem sehr viel gesehen hat... Gichin Funakoshi und seinen talentierten Sohn Yoshitaka, das alte Shotokan-Dojo, die Vorkriegsjahre und den Wettstreit mit anderen Stilrichtungen, die Gründung der JKA... über 60 Jahre Erfahrung mit Karate und Budo.

Nun, es brauchte eine lange Zeit, und ich fürchtete Sensei Kase's Herzattacke könnte es verhindern, aber als er in Belgien im Mai 2000 einen Comeback-Lehrgang gab, traf ich Vorbereitungen um ihn zu treffen und das Folgende ist eine Zusammenfassung unserer Unterhaltung.

Taiji Kase wurde 1929 geboren und startete sein Kampfkunsttraining mit Judo im Alter von sechs. Aber dann, als er als junger Marine-Kadett von fünfzehn Jahren war, sah er Gichin Funakoshi's Buch "Karate-Do Kyohan" und das erweckte ein Interesse an Karate, das ihn bis heute nie verlassen hat. Er ging in Richtung des Meijiro-Stadtteils in Tokyo, um sich in Funakoshi's Shotokan-Dojo einzuschreiben, und dann als er Yoshitaka Funakoshi Fußtechniken trainieren sah - und an dieser Stelle gestikulierte Kase "Mae-Geri - Mawashi-Geri - Yoko-Geri - Wuusch! Wuusch! Wuusch! - war er erstaunt, und noch mehr entschlossen eine solch starke Kampfkunst zu erlernen.

Zu dieser Zeit hatte Gichin Funakoshi sich vom Lehren zurückgezogen und die Führung des Shotokan (Shotokan = Name des Dojos von Gichin Funakoshi, Anm. des Übersetzers) an Yoshitaka, seinen dritten Sohn, weitergegeben: Offiziell wurde Yoshitaka ein Stempel, ein Siegel gegeben um seine Autorität kenntlich zu machen. Meister Gichin muss ab und an noch einige Anweisungen gegeben haben, da Kase sich noch an eine Gelegenheit erinnert, als im vom alten Meister gezeigt wurde, wie man eine Faust macht. Das war in der Form, wie es in Gichin Funakoshi's erstem Buch gezeigt wird, aber zu diesem Zeitpunkt mehr oder weniger überholt war, dort wird der Zeigefinger nicht in die Faust aufgerollt, sondern ausgesteckt, so das er auf dem Daumenballen liegt. Im nächsten Training bemerkte Yoshitaka das und fragte Kase "Wer hat dir gezeigt wie man eine Faust auf diese Art macht?" Obwohl der kleine Kase etwas zögerte antwortete er, dass es sein Vater war. "Mein Vater hat dir das gezeigt?" sagte Yoshitaka, bevor er Kase's Faust korrigierte und sagte, dass diese alte Methode "Bauern-Karate" sei... aber er sagte das in einer humorvollen, gutgemeinten Art.

Yoshitaka war der leitende Trainer des Shotokan, aber er wurde assistiert von den Trainern Genshin Hironishi (der einige Jahre zuvor von der Chinesischen Kriegsfront zurückgekehrte) Yoshiaki Hayashi (der Model stand für die Ten-No-Kata im Buch Karate Nyumon von 1943) und Wado Uemura, Shingueru Egami, ein anderer der Vorbilder in Shotokan-Karate war zurück in Kyushu um sich um den Familienbetrieb zu kümmern. Obwohl dieser nach dem Krieg in Schwierigkeiten geriet, war es während des Kriegs ein bedeutendes Unternehmen, das um die hundert Menschen beschäftigte und Egami war ein sehr reicher Mann. Auf jedem Fall hielt dies Egami in Kyushu fest, obwohl Kase dachte, er würde ab und zu für eine kurze Zeit nach Tokyo kommen, um mit Yoshitaka zu trainieren.

Es gibt eine sehr bekannte Serie von Fotographien von Egami und Yoshitaka, aufgenommen in den späten 1930ern. Ich zeigte einige davon Sensei Kase und erklärte, dass sie einige Zeit bevor er im Shotokan anfing. Als er Yoshitaka kennerlernte, hatte er etwas mehr Gewicht und einen sichtbaren Bauchansatz. Er war nicht groß oder muskulös, aber er hatte eine Körperkraft, die sein Karate sehr kraftvoll machte. Yoshitakas Stil sagt Kase war ein "Geschwindigkeit und Kraft"-Karate.

Yoshitaka erschien oberflächlich gesund und stark, obwohl er seit er ein Kind war an Tuberkulose litt. "Tatsächlich", sagte Kase, "wurde Yoshitaka, als er sieben Jahre alt war gesagt, dass er nicht über zwanzig Jahre alt werden würde und so war er als er zwanzig Jahre alt war, dann einundzwanzig ... zweiundzwanzig, sehr überrascht, und er schrieb sein Überleben oder ein Teil davon seinem Karate-Training zu". Kase dachte, dass Yoshitaka vielleicht eine Art "Komplex" zu all dem hatte, seit er wusste, dass er jeden Moment ernsthaft erkranken und sterben könnte. Trotzdem lehrte Yoshitaka in diesen späteren Jahren im Shotokan, Genshin Hironishi erklärte Kase, dass er den Rest des Tages zu schlafen oder sich im Bett auszuruhen hätte, um seine Kraft für die abendlichen Trainingseinheiten zu sparen.

Taiji Kase bekam einige Yoshitaka-Geschichten zu hören. Es gab einen berühmten Shito-Ryu-Lehrer, der angeblich eine "Spezialtechnik" beherrschte, die ihm immer den Sieg verschaffen würde. Als er versuchte diese gegen Yoshitaka anzubringen, wurde er irgendwie gekontert und mehrere Meter durch das Dojo zurückgeworfen. Ein anderer bekannter Lehrer - es war Kanken Toyama, erzählte Kase - sollte Gerüchten nach eine geheime "Das Fleisch aufreißen"-Technik kennen. Yoshitaka hieß Toyama die Technik an seinen Oberschenkel-Muskeln zu probieren. Toyama griff nach Yoshitaka's Oberschenkel, aber nichts passierte. Yoshitaka wies ihn an es stärker zu probieren ... nichts. Kase kichert als er diese Geschichten erzählt.

War zu dieser Zeit das Training im Shotokan hart? Ja, weil Krieg war und die Einstellung zum Training war sehr ernst. Es wurde viel Kumite geübt, Gohon- und Sambon-Kumite, und Jyu-Ippon, und es wurde alles versucht um mit dem Angriff zu treffen. Eine Art von Sambon-Kumite in einer Art "Schnell"-Stil wurde geübt, bei dem du versuchst deinen Partner zu greifen. Wurden die Leute verletzt während des Trainings? Oh ja. Manchmal kamen Universitäts-Studenten zum Dojo und da sie oft erfahrener waren, sehr schnell und stark, wärst du sehr besorgt, wenn du ihnen im Kumite gegenüberstehen müsstest.

1945 wurde das Shotokan durch einen Bombenangriff zerstört, dann ergab sich Japan, und Yoshitaka Funakoshi starb, alles innerhalb von ein paar Monaten. Das Karate-Training hörte für einige Zeit auf, aber dann begann es langsam wieder aufzuerstehen. Anfang 1947 war im Life-Magazine eine zweiseitige Reportage über Karatetraining in Japan, und als ich es Sensei Kase zeigte, identifizierte er sofort die beiden Karateka im Hauptfoto als Hiroshi Kamata und Gojuru Harada. Karate hatte Glück und entkam dem Verbot der Amerikanischen Streitkräfte, welches Judo und Kendo zu dieser Zeit traf. Kase erklärte es wäre, weil die Karate-Gruppierungen ihre Kunst als mit "Chinesischem Ursprung" statt mit Japanischem beschrieben, daher ließen die Amerikaner sie in Ruhe.

Nach dem Krieg war Taiji Kase in der Senshu-Universität eingeschrieben, wo er sein Training fortsetzte und Kapitän des Karate-Teams wurde. Der Sensei war Genshin Hironishi und sein Training war hart. Dann hörte Kase das Shigeru Egami in der Chuo-Universität lehrte, also wechselte er über zur Chuo um dort auch mit Egami zu trainieren ("sehr scharfe Technik"). Der junge Kase war in der Tat sehr besessen vom Karate, und als ich im ein Gruppenfoto, aufgenommen 1951, vorlegte, zeigte er sofort auf jemanden in der ersten Reihe (ich habe den Namen nicht verstanden) und sagte, dass der sehr berühmte Tadao Okuyama gewöhnlich in diesem Haus übernachtete. So kam Kase in Kontakt mit dieser Person, da er vom mysteriösen Okuyama lernen wollte.

Es gibt eine Karate-Geschichte, welche fast vergessen ist. Als wir über das Shotokan der Kriegszeit sprachen, erzählte Sensei Kase, dass Yoshitaka's Gruppe in die Ausbildung von Geheimagenten verwickelt war. "Die Nakano-Schule?" fragte ich und Kase antwortete ja, und er betonte dass die Behörden zu Yoshitaka kamen und ihn fragten ob er dort unterrichten würde. Aber, fügte er hinzu, einige von Yoshitaka's Schülern rieten ihm von der direkten Beteiligung ab, so wurde tatsächlich Tadao Okuyama geschickt. Yoshitaka Funakoshi war offiziell der Ausbilder, und er war vermutlich auch ein paar mal da, aber es war Okuyama, der das meiste der Ausbildung leitete. "Was hat er unterrichtet?" fragte ich. "Tödliche Techniken!" antwortete Kase.

Egal, Kase studierte mit Tadao Okuyama in der Nachkriegszeit und er erzählte mir, dass Okuyama eine "sehr spezielle Technik". Als ich danach fragte, schüttelte er nur den Kopf und lächelte. Okuyama war in der Tat speziell und wieder auf das alte Foto mit all den Shotokan-Größen schauend sagte er, dass er glaube von allen aus dieser Generation war Okuyama "der Höchste". Irgendwann ging er in die Berge um zu trainieren, und später dann wurde er mit der Omotokyo-Sekte von Schintoismus verwickelt, die selbe Sekte des Schintoismus, die Morihei Uyeshiba beeinflusst hat. Okuyama wurde Leibwächter des Kopfs der Omotokyo und lebte im Hauptquartier der Gruppe, was ihn etwas schwierig zu erreichen machte.

Yoshitaka Funakoshi's Idee war, dass Karate sich gleichmäßig weiterentwickeln sollte, und Okuyama brachte dieser Idee ihr volles Potential - "Weiterentwickeln, weiterentwickeln, weiterentwickeln," sagte Kase. Er glaubte nicht an hunderte mechanischer Wiederholungen, aber er war immer auf der Suche nach der richtigen Technik, und Kase sagte, dass Okuyama "eine besondere Art von Kraft, nicht von den Muskeln, nicht vom Kime - etwas Anderes" hatte. Als Interessantes am Rande dachte Kase, dass Shigeru Egami etwas von seinen späteren Ideen von Okuyama haben könnte. "Nicht kopiert", sagte er, "aber Impulse bekommen".

In diesen Nachkriegsjahren kamen die verscheiden Karate-Gruppen manchmal zusammen für ein gemeinsames Training (Kokan Geiko) und oft wurden diese Einheiten sehr körperbetont. Besonders wenn Stilrichtungs-Rivalitäten hineinspielten. Sensei Kase erinnert sich an die Zeit um 1949, als die Shotokan-Universitäten von Ost-Japan nach Kyoto herabkamen um die westlichen Universitäten zu treffen - Ritsumeikan, Doshisha, Kansoi und so weiter; hauptsächlich Goju-Gruppen, mit vielleicht ein paar vom Shito-Ryu. Kase erinnert sich, dass bevor die Kumite-Einheit begann die Shotokan-Trainer ihre Schüler anwiesen, dass es "kontaktlos!" sein sollte - aber sie wollten ganz klar verstanden haben dass sie, als sie sagten "kontaktlos!", in Wirklichkeit "Kontakt!" meinten. Da die Goju-Trainer eine ähnliche Anweisung an ihre Schüler gaben, entwickelte sich das Kumite schnell zu einem Blutbad mit vielen Teilnehmern die niedergeschlagen oder bewusstlos oder denen die Zähne ausgeschlagen waren.

Ein Treffen wurde einberufen, ob das Kumite wegen der vielen Verletzungen die auftraten beendet werden sollte, einige wollten auch eine Ende ausrufen, aber Taiji Kase sagte, so lange sie aufstehen können sollen sie weitermachen. Es wurde wie auch immer vereinbart, dass die Kapitäne kämpfen sollten, und Kase traf auf den Kapitän von Ritsumeikan, der die Kämpfe überstanden hatte. Wurde er (Kase, Anm. d. Übersetzers) auch selbst verletzt? fragte ich. Nein, er hatte Glück, obwohl er nur knapp einem Haito des Ritsumeikan-Manns, der auf seinen Kopf zukam ausweichen konnte - Kase erinnert sich noch wie er ihm durch das Haar strich.

Die Goju-Leute waren rau, erinnert sich Kase, trotzdem funktionierte der Shotokan-Stil mit seinen langen Yoko-Geri- und Mawashi-Geri-Angriffen gut gegen sie. Goju war mehr ein Nahbereichs-Stil und zu dieser Zeit nutzte Goju-Karate keine dieser Tritt-Techniken. Es war mehr oder weniger in dieser Zeit, dass diese Techniken sich im Goju ausbreiteten.

Shotokan-Karate war in dieser Zeit nicht besonders organisiert, aber verschiedene Gruppen oder Fraktionen - die Universitätsbasierten Gruppen von Keio, Hosie, Waseda, Takushoku, Chuo und Senshu - alle versuchten zusammen zu arbeiten. Als Kase 1949 die dritte Dan-Prüfung bestand, war das bevor ein Gremium, zusammengestellt aus Lehrmeistern von allen Universitäten entstand, und er kam mit Jataro Tagaki von Chuo und Shimamura von Takushoku zusammen. Die Dinge schienen gut genug zu laufen, aber natürlich waren da technische Differenzen zwischen den Gruppen und auch zwischen jenen, die in den 30ern und 40ern in Japan blieben und jenen, die zum Dienst nach China, in die Mandschurei oder andere Teile des Japanischen Imperiums geschickt wurden. Damals, 1981 zum Beispiel, als nach dem Krieg Masatoshi Nakayama nach Japan zurückkam, sah er die jungen Schüler Yoko-Geri und Mawashi-Geri und so weiter trainieren und sagte "Das ist kein Shotokan-Karate!". In Belgien bestätigte Sensei Kase diese Geschichte und erklärte, dass Nakayama gesagt hatte "nicht akzeptiert, nicht akzeptiert". Im Lauf der Zeit wurden diese Techniken sehr gebräuchlich, und nicht viel später nahm auch Nakayama selbst diese Techniken in seine Demonstrationen auf.

In den 50ern begannen die verschiedenen Shotokan-Gruppen auseinander zu brechen, und Taiji Kase trat der JKA als Trainer bei. Wie das geschah... Kase hatte die Universität verlassen und lebte in einem Vorort von Tokio, in der Nähe lebte auch Hidetaka Hishiyama und er bat und versuchte ihn oft zu überzeugen, der JKA beizutreten. Kase war hin- und hergerissen, da er aus der Yoshitaka-Funakoshi/Hironishi-Gruppe kam und viele von Hironishi's Schülern ihn zu überzeugen versuchten, ein eigenes Dojo zu eröffnen und einen eigenen Verband zu gründen und dort Karate zu trainieren und zu lehren. Aber das geschah nie, und so trat Kase der JKA bei und dieser Umstand schenkte ihm das Leben, das er sich wünschte.

Ich erinnerte Sensei Kase, dass die JKA zu der Zeit, als das Yotsuya-Dojo eröffnet wurde, vorherrschend von Takushoku-Leuten geführt wurde. Hat es für Ihn irgendwelche Schwierigkeiten bedeutet, dass er von Senshu kam? Nein, sagte er, und das war hauptsächlich wegen Masatoshi Nakayama. Nakayama hatte ein gutes Herz und wollte das jeder zusammenarbeitet, daher gab es keine Probleme. Tatsächlich war Taiji Kase ein sehr wichtiges Mitglied der JKA. Er war einer von seinen Leitern, er war an der Formulierung der ersten Wettkampfregeln beteiligt und war einer der Oberstufen-Trainer, was bedeutete, dass er für die Ausbildung der ersten Generation von internationalen Trainern verantwortlich war. Namen wie Hirokazu Kanazawa, Keinosuke Enoeda und Hiroshi Shirai. Diese drei JKA-Meister gingen 1965 zusammen mit Kase auf Weltreise um überall wohin sie kamen Vorführungen durchzuführen. Terry O'Neill, Ex-Kapitän des Britischen Karate-Teams, sah eine dieser ersten Vorführungen und er erzählte mir, dass Kase, der ganz klar die Führung übernahm, oft den einen oder anderen aufforderte sich zu erheben, mit ihm zu arbeiten und ihn gelegentlich ein bisschen kritisierte. "Also betrachteten sie Kase als den Leiter?" fragte ich Terry. "Oh ja" antwortete er, "definitiv".

Die JKA begann um 1960 Lehrer ins Ausland zu senden und Kase selbst folgte diesem Exodus ein paar Jahre später. Er lehrte eine Weile in Süd-Afrika und dann lies er sich zusammen mit seiner Frau und seinen Töchtern in Frankreich nieder, das für die letzten dreißig Jahre seine Heimat wurde. 

Es war Henry Plée, der Begründer des französischen Karates, der ihn nach Frankreich brachte, was eine große Chance bedeutete. Plée hatte seinen Sommerlehrgang in St. Raphael organisiert und Hiroshi Shirai als Lehrer verpflichtet. Aber Shirai musste absagen und sorgte für eine Vertretung, und als Plée sah, dass es Kase war... fühlte er sich tatsächlich im Stich gelassen. Plée hatte Kase nie getroffen, aber er hatte schon Fotos von ihm im KARATE, einem Taschenbuch in der alten Serie "Marabout Flash" gesehen, und er hatte keine gute Meinung von seiner Technik.

Aber er fand sich mit dem Wechsel des Lehrers ab und als der Lehrgang begann, änderte sich seine Einstellung sehr schnell. Kase hatte einen guten Draht zu den Schülern und mit einem Ausdruck aus dem Karate "Une technique formidable". Als der Lehrgang vorüber war, wurde vereinbart, dass Kase an Henry Plée's bekanntes Dojo in der 5th Arrondissement von Paris kommen würde um zu unterrichten... und Plée schrieb einen Artikel für sein BUDO MAGAZIN EUROPE mit dem Titel "Dangers Sur Les Interpretations Des Photos De Karate", (Die Gefahr des Beurteilens von Karate nach Fotos).

Taiji Kase war sehr streng im Unterrichten von Kihon und Kata, aber im Kumite war seine Technik viel freier. Das wichtige war das Timing, die Bewegung und das Nutzen der Kraft im richtigen Moment. Tommy Morris, der bekannte Schottische Karateka, der in Plée's Dojo trainierte, erzählte mir, dass Kase sich im Kumite "richtig bewegen konnte". Unglücklicherweise gibt es aus dieser Zeit nicht viel Filmmaterial von Ihm. Ich besitze einen kurzen Film von Ihm, wie er sich bei den Britischen Meisterschaften in einer Vorführung gegen zwei Angreifer verteidigt - er scheint sie einfach wegzuwerfen - und eine Ausführung der Mekyo-Kata in einer IAKF-Meisterschaft ein paar Jahre später. Im Unterschied zur Kata die wir heute kennen ist Kase's Meikyo nicht übertrieben oder theatralisch; die Technik ist ökonomisch aber stark, und die Bewegung ist weich, sowohl die Bewegung auf der Matte als auch im Übergang von einer Technik zur anderen; die Kata eines älteren Karateka, würde man sagen.

Ich habe über Jahre Kontakt mit Henry Plée, und als ich vor ein paar Jahren in Paris war, sprachen wir über die verschieden japanischen Sensei die er in den 50ern und 60ern sein Dojo brachte um zu unterrichten - Hiroo Machizuki, Tetsuji Murakami, Tsutomu Ohshima, Mitsusuke Harade, Taiji Kase. Henry sagte, dass er oft die Stärke beim Kämpfen dieser Trainer kurz nach deren Ankunft testete. Zum Beispiel traf er Muakom mit einem Vorhand-Stoß, der eine Beule in der Größe eines kleinen Ei's auf seiner Stirn hinterlies. Hat er auch mit Kase Kumite geübt? Oh ja. Henry hatte einige Jahre Judo-Training hinter sich und so ging er nach ein paar Augenblicken in den Gegner und versuche einen Judowurf. Aber Kase rührte sich nicht - "Er war wie ein Fels" - und als Henry dann seinen Griff lockerte und versuchte sich zurückzubewegen wurde er von Kase mit einem Sidekick getroffen, der ihn zusammensinken lies. "Okay" sagte er zu Kase, "ich weiß jetzt, wer der Stärkste ist!"

Ich fragte Sensei Kase danach und er lachte. Ja, das ist passiert. Plée hatte Judo gelernt, aber ich war auch ein erfahrener Judoka, und "japanisches Judo-Level sehr hoch".

Plée erzählte dem Französischen Magazin BUSIDO: "Sensei Kase ist nur ein kleiner Mann, einer der die Bedeutung des Kampfes gemeistert hat. Sein außergewöhnlicher Wert liegt in seinem Training von zwei Arten von Karate. Eine basiert auf Kampf und die andere auf dem Training der Grundlagen. Ein anderer Vorteil den er besitzt, ist seine einfache Strategie: Er passt sich an seinen Gegner an. Er sieht eine Öffnung und unterstützt von seinem Gespür für Timing geht er in den Gegner. Was seine Stärke und Erfahrung im echten Kampf unterstreicht. Hier ist ein Beispiel: Einige Male wohnte ich einem Training mit Ihm, Shrai und Enoeda bei, bei dem sie das Kämpfen trainierten. Wenn es den anderen beiden die Reichweite und Geschwindigkeit ermöglichte ihn zu erreichen, schaltete Kase einen Gang hoch. Sie mussten zurückweichen. Glaub mir, diese Einheiten waren was! Sie halfen mir zu verstehen, was kämpfen im Karate und echten Kampf bedeutet, auch wenn er die Regeln respektiert. Darüber hinaus hat es für mich den Anschein, dass seine Judoerfahrung ihm hilft. Er hat gelernt, wie sich das Körpergewicht bewegt. Er weiß, wann der Gegner angreifen kann und wann nicht, das ist dann, wenn der Gegner sein Gewicht verlagert, dann kann er nicht angreifen. Das ist der Moment, in dem Kase seinen berühmten tiefen Angriff startet. Ich denke Judo ist in dieser Methode zu kämpfen enthalten. Ich erinnere mich, als ich in Frankreich ankam, waren die Französischen Karateka vom Shukokai-Stil beeinflusst, mit einer Kampfstellung, bei der das Gewicht sehr stark auf dem vorderen Bein liegt und es amüsierte ihn natürlich, diese Unglücklichen zu werfen. Aber versuche nicht dasselbe an ihm. Er kann nicht entwurzelt werden. Gelegentlich trainiere ich mit verschiedenen Experten, die ich in mein Dojo einlud. Da ich Erfahrungen mit Judo habe, überrasche ich sie ab und an und werfe sie. Aber ich habe es nie bei ihm geschafft. Er ist wie Beton. Für mich ist er der beste Kämpfer, den ich je traf. Er liebt das Kämpfen und schlägt nie eine Aufforderung aus. Hier ist eine andere Geschichte: Ich weiß nicht ob französische Karateka sich an Baroux erinnern. [Anmerkung: Patrick Baroux war Karate-Europameister in den 60ern] Ich konnte ihn gut leiden und war von seinem Tod sehr bewegt. Mehr noch, er war ein großer Meister. Er trainierte mit mir. Eines Tages, als er von den Europameisterschaften zurückkehrte, bei der er den Titel gewann, sagte er zu mir: "Du weißt, das ich Sensei Kase schlagen kann. Ich möchte es versuchen." Ich erzählte es Kase der einfach antwortete "Kein Problem, wann immer er möchte." Das Treffen fand im Dojo statt, nahe beim Eingang. Er lies Baroux zwei oder drei Techniken machen, dann erhöhte er das Tempo. Er deckte ihn ein, wie er es brauchte. Später erzählte mir Baroux "Ich hätte es nicht für möglich gehalten, was für ein Mann!"

Nachdem sein Vertrag mit Henri Plée auslief, ging Kase seine eigenen Wege und gab in ganz Europa Lehrgänge. Er war immer noch Mitglied der JKA und blieb ihr bis zu den politischen Problemen in den 80ern, als er die JKA verlies und seine eigene Organisation gründete, treu. Wie Henry Plée sagte, Taiji Kase war nie ein Politiker oder Intrigant. Er wollte nur Karate ausüben, und der Bruch erlaubte im das auf die Weise zu tun wie er es wollte.

Kase hatte jahrelang kein festes Dojo, er zog es vor durch Europa (oder wo auch immer) zu reisen und Lehrgänge zu geben, hauptsächlich für Schwarzgurte. Auch im alter von siebzig Jahren tat er das die meisten Wochenenden, bis er im letzten Jahr eine Herzattacke erlitt. Natürlich war das ein schwerer Rückschlag, aber nach ungefähr neun Monaten gab er im Februar einen Comeback-Lehrgang in Paris, bei dem 200 Schwarzgurte anwesend waren. Ein paar Monate später folgte der Hassel-Lehrgang, wo wir uns trafen.

Zum ersten mal sah ich Sensei Kase in London 1981 unterrichten, bei einem Lehrgang der Karate Union of Great Britain. Er unterrichtet Kata, und es war sehr interessant zu sehen, wie er sie auseinander nahm und zeigte, wie man den Körper im Verhältnis zum Gegner am besten positioniert. In Hasselt führten die Teilnehmer vorgegebene Kumite-Techniken und Angriffskombinationen aus, aber hauptsachlich konzentrierte sich Kase auf die Grundlagen - Stand, Atmung, Abwehr- und Blocktechniken. Er begann seine erste Einheit mit der Eröffnung der Sochin-Kata, dem trainieren von Kime und dem sich im Boden verwurzeln, und er erklärte, dass man sich in solch einer Position fühlen sollte "als ob man zweihundert Kilo wiegt". Danach übten alle eine Sequenz mit Offen-Hand- (Shuto-)Techniken, erst langsam mit bewusstem Atmen - ähnlich dem Goju-Stil - und dann stark, mit scharfem Kime. Wenn er Block-Techniken ausarbeitet, lies er die Klasse erst mit großer Bewegung und maximaler Kraft üben, und dann wurde die Bewegung reduziert, erst zur mittleren Reichweite und dann auf nur ein paar Zentimeter - bei gleichbleibender Kraft. Im Kampf wird man nicht die Zeit für eine große Block-Technik haben, aber auch mit einem kleinen Block sollte man fähig sein, das Angriffsglied des Gegner zu verletzen oder den Gegner mit der Kraft des Block wegzuschlagen. Kase erklärte seinen Studenten, dass das ein "Geschwindigkeit- plus Kraft-Karate" wäre, und dass man im Kumite fähig sein muss, innerhalb eines Augenblicks "von null auf hundert Prozent" umzuschalten.

Kase betonte gegenüber seinen Anhängern, dass ihr Karate ein "Budo-Karate" ist, und als ich später mit ihm sprach war ich beeindruckt, mit welcher Autorität er über das weite Feld des japanischen Budo erzählen kann. Er sprach über Kendo, über Judo und über solche berühmten Judo-Männer wie Kyuzo Mifune und Masahiko Kimura, die er beide persönlich kannte; über Morihei Uyeshiba und Aikido, (die er als "Daito-Ryu und Schintoismus" zusammenfasste); über solche Persönlichkeiten wie Yukiyosh Sagawa, den neunzigjährigen Meister in Daito-Ryu, der vor einigen Jahren starb und von dem einige Denken, das er besser war als Uyeshiba, ("einige sagen der zweite nach Takeda" bemerkte Kase). Als einer seiner direkten Schüler, Dirk Heene von einem Freund berichtete, der Hakko-Ryu Ju-Jutsu trainiert, konnte Kase die Ursprünge des Hakko-Ryu-Stils erklären. Natürlich war er sich immer aller anderen japanischen Karate-Stile bewusst und kannte viele der führenden Figuren der japanischen Karate-Welt; Mas Oyama zum Beispiel, den der noch aus der Vorkriegszeit kannte, als er kurz gemeinsam Judo trainierte.

Während er unterrichtete war Sensei Kase freundlich und geduldig. Verständlicherweise führte er nicht zu viel selbst vor, aber wenn er ein paar Techniken zeigte, war er erstaunlich scharf, besonders für einen siebzig Jahre alten Mann, der sich von einer Herzattacke erholt. Die Klasse bestand nur aus Schwarzgurten, mit vielen Teilnehmern, die über zwanzig oder dreißig Jahre Karateerfahrung besitzen. Einige hatten von anderen Organisationen gewechselt, oft nachdem ihre Wettkampfkarriere beendet war und sie ein Fehlen von Tiefe oder Orientierung in ihrem Training feststellten. Bei Kase erzählten mir einige, hätten sei einen neuen Antrieb gefunden.

Ich trainiere nicht selbst Shotokan-Karate, und ich kann mir nicht irgendwelche Urteile über die verschiedenen Organisationen bilden, die es unterrichten, aber die Kase-Gruppe erscheint sehr loyal, und Taiji Kase's Ausstrahlung angenehm. Nach all dem Training und den Prüfungen und nach einem langen, geschäftigen Tag für Sensei Kase fand ein Abendessen statt. Dort konnte ich für ein paar Stunden mit Sensei Kase sprechen und ihm all meine Fragen stellen. Er war offen und freundlich und auch heiter. Als das Essen beendet war, fuhr Dirk Heene mich, Sensei Kase und seine Frau zurück in unsere Hotels. Kurz bevor wir mein Hotel erreichten fragte mich Sensei Kase über die Britischen Karateka, die er aus den 60ern kannte .. Bob Poynton, Andy Sherry, Tery O'Neill, Frank Brennan. Trainieren sie immer noch? Ja, sagte ich, tun sie. Das ist gut, sagte er. Sie waren jetzt getrennt, in verschiedenen Verbänden, aber sie waren immer noch eine Shotokan-Familie, und jeder sollte das Karate bewahren.

Wir erreichten mein Hotel. Und ich kann mich noch an die letzten Worte von Sensei Kase erinnern, als ich aus dem Auto stieg und mich verabschiede. "Denk dran", sagte er, "Wenn du sie siehst - sie sollen weiter trainieren!"