Gichin Funakoshi

Shihan Gichin Funakoshi (vorne links) mit Familie

Gichin Funakoshi in jüngeren Jahren,1935 und 1943

 

Gichin Funakoshi beim Training - frühere und spätere Jahre

Grabstätte von Gichin Funakoshi

Yoshitaka Funakoshi - Gichin Funakoshis dritter Sohn


Gichin Funakoshi wurde als einziger Sohn einer Familie im Bezirk Yamakawa-Chô im Jahre 1869 geboren. Seine Familie gehörte zur Shizoku-Klasse. Das entsprach etwa dem Stand eines Samurai. Sie war damit eine der bessergestellten Familien. Bereits sein Vater war ein Kampfkunstexperte. Seine Waffe war der Stock, okinawanisch Kon. Aufgewachsen ist Gichin Funakoshi bei seinem Großvater Gifu. Sein Großvater war ein großer gelehrter des Konfuzianismus und lehrte Gichin die vier großen chinesischen Klassiker, den Jia.

Während seiner Grundschulzeit bekam er Kontakt mit Meister Azato. Bei ihm erlernte er sein Karate, damals noch als geheime Kampfkunst. Trainiert wurde immer erst nach Einbruch der Nacht bei Sensei Azato und Sensei Itosu, der oft auf Besuch bei Azato war. Zu beiden entwickelte er eine tiefe, bis an sein Lebensende bestehende Freundschaft. Das Training war hart und bestand nur aus der Wiederholung von Kata. Deshalb fühlte sich Gichin nach eigenem Bekunden auch manches mal erniedrigt und verbittert.

Während des Trainings kam oft auch Meister Itosu zu Besuch. Doch durfte Gichin Funakoshi nie deren Unterhaltung zuhören, sondern wurde zu fortwährendem Training angehalten. 10 Jahre lang übte er so die Kata Tekki, wurde von Azato wenig gelobt aber viel kritisiert. Erst dann war sein Meister mit ihm zufrieden.

1888 bestand er die Prüfung zum Hilfslehrer an der örtlichen Schule (in Shuri). 1891 wurde er dann nach Naha versetzt, verlor jedoch trotz seiner dortigen neuen Meistern wie To-On-Na Higashionna und Niigaki Aragaki und später in Shuri mit Kiyuna und Matsumura den Kontakt zu seinen beiden ersten Lehrmeistern und Freunden Azato und Itosu nie.

Anlässlich des Besuchs des Schulkommissars 1901/1902 führte er sein Karate in der Schule in Naha vor. Auf den Bericht und die Initiative eben jenes Schulkommissars hin wurde in Japan Karate als Teil des Lehrplans eingeführt. Nach 30 Jahren reichte Gichin Funakoshi seinen Abschied vom Schuldienst ein und widmete sich von nun an nur noch dem Karate.

In dieser Zeit zog er mit einer Gruppe seiner Schüler durch Okinawa. Zu dieser Gruppe gehörten Motobu, Mabuni, Kyan, Gusukuma, Ishikawa und Tikumura. 1916 wurde auch eine Vorführung in Kyoto, Japan, durchgeführt. 

Als 1921 eine Einladung zu einer großen Kampfkunstvorführung in Japan auch an die okinawanischen Karatemeister erging fiel die Wahl auf Gichin Funakoshi, begründet durch sein Können, die Kombination mit seinem angesehenen Charakter und seinem Verständnis für Dichtkunst und Kaligraphie. Der wirklich Ausschlag gebende Grund war wohl aber die Tatsache, das die anderen okinawanischen Meister glaubten, er als Lehrer könnte die Kampfkunst Karate den Zuschauern am besten näher bringen und vor allem erklären.

Im Mai 1922 reiste er erneut nach Japan um sein Karate vorzustellen. Judo-Begründer Jigoro Kano lud ihn im Anschluss an jene Vorführung ein, nochmals eine Vorführung zu geben. Bei dieser Vorführung erwartete er eine handvoll Judomeister zu treffen. Tatsächlich erschienen 80 Trainer und viele Schüler, insgesamt über 200 Menschen. Das Interesse war groß und die gestellten Fragen, speziell von Jigoro Kano waren so detailliert, dass selbst Funakoshi oft überlegen musste. Auch von anderen Meistern anderer Budo-Künste war das Interesse derart groß, dass er viele weitere Vorführungen durchführte - er sollte nie wieder nach Okinawa zurückkehren.

Jigoro Kano - Begründer des Judo

War auch das Interesse anderer Meister groß, so konnte er doch später nicht davon leben und verdiente sich in der Studenten-Unterkunft, in der er auch lebte, durch anfallende Arbeiten ein eher karges Einkommen. Anfangs trainierte er nur mit 5 bis 8 Schülern. Der Trainingsraum war klein, einheitliche Kleidung gab es nicht, so wurde oft nur in kurzen Hosen ohne Oberbekleidung geübt. Da er den Leseraum zum trainieren genutzt wurde, musste Funakoshi auch eine höhere Miete bezahlen (15 Yen) und war dadurch trotz der Einnahmen von seinen Schüler immer noch zu den Hilfsarbeiten genötigt, um seine Miete zu bezahlen. Später begann er auch an verschiedenen Universitäten zu unterrichten. Dadurch erlangte er endlich etwas finanzielle Unabhängigkeit.

Untrennbar mit der Geschichte Funakoshi's sind auch die Veränderungen die zu dieser Zeit in Japan im Karate stattfanden. Um vom Budokukai anerkannt zu werden führte er die einheitliche Kleidung, den Gi, ein, die Gurt-Ränge wurden aus dem Judo übernommen. Viele Bezeichnungen von Kata wurden in Japanische Bezeichnungen geändert, auch wenn sich heute bei einigen wieder der alte Name durchgesetzt hat. Und natürlich die größte Veränderung - die Schriftzeichen erhielten eine neue Schreibweise und hatten keinen Bezug mehr zum alten China.

Alte Schreibweise

Neue Schreibweise

 

Zu Recht sah Funakoshi die Notwendigkeit der Annerkennung durch den Budokukai. Ohne diese hätte sich Karate nie derart verbreiten Können. Trotzdem war die Ablehnung der Meister auf Okinawa groß und die Kritik hart. Doch war er mit der Entwicklung die diese Kampfkunst nach dem Krieg machte nicht in seinem Sinn. Seine Enttäuschung band er sogar in das Vorwort seiner zweiten Ausgaben von Karate-Do Kyohan ein.

Als Funakoshi nach Japan ging hatte er eine Sammlung von Kata, die er lehrte. Diese Kata beinhalteten alle Aspekte, die sein Karate definierten. Insgesamt waren es 15 Kata. Das ist erstaunlich, da die Meister von Okinawa in der Regel nie mehr als 4 bis 5 Kata beherrschten. Ein Zitat Funakoshi's lautet "Die alten Meister hatten üblicherweise nur ein schmales Feld, doch sie pflügten tiefe Furchen."

Die stilspezifischen Kata im Shôtôkan

  • Heian-shodan

  • Heian-nidan

  • Heian-sandan

  • Heian-yondan

  • Heian-godan

  • Tekki-shodan

  • Tekki-nidan

  • Bassai-dai

  • Kankû-dai

  • Hangetsu

  • Empi

  • Jitte

  • Jion

  • Gankaku

Im Jahr 1922 und in den folgenden Jahren veröffentlichte er insgesamt vier Bücher, wovon das erste Buch Ryukyu Kempo Karate als das erste überhaupt veröffentlichte Buch über Karate gilt. Als weitere folgten Rentan Goshin Karate Jutsu und die beiden Ausgaben von "Karate- Kyohan". Als er bereits sehr alt war, erschien "Karate- Ichi-ro" (Karate-dô- mein Weg), seine Lebensgeschichte mit dem Karate. Aus seinem Nachlass veröffentlichten seine Schüler noch "Karate- Nyumon". Heute sind alle Bücher hochgeachtete Sammlergegenstände.

Gichin Funakoshi lehnte eine Einteilung des Karate in verschiedene Stilrichtungen stets ab. Für ihn existierte nur Karate. Gleichfalls war er kein Freund des Wettkampf-Karate. Als die JKA ihn um Genehmigung eines Wettkampfprogramms baten, verweigerte er seine Zustimmung. Er hatte auch Zeit Lebens kaum Kontakt zur JKA - auch wenn er ohne seine Zustimmung zum Ehrenausbilder ernannt wurde.

Auch die Bezeichnung Shotokan als Stilrichtungsbezeichnung stammt nicht von ihm, sondern wurde später aus dem Namen seines Dojo gebildet. Der Name Shotokan setzt sich zusammen aus SHOTO und KAN. SHOTO  war die Bezeichnung für Funakoshi's Kampfstil (und auch sein Künstlername in der Dichtkunst; er bedeutet „das Rauschen der Kiefernwipfel“), KAN bedeutet "Haus" oder "Tempel". Das heutige Shotokan wie es über die JKA verbreitet und von Funakoshi's Kampfkunst abgeleitet wurde ist aber nicht identisch mit dem heute unter der Bezeichnung Shotokan praktizierten Stilrichtung. Trotzdem gilt Gichin Funakoshi heute als Vater des Shotokan und des modernen Karate überhaupt.

Das Shotokan - 1945 bei einem Bombenangriff der Amerikaner zerstört