Sommerlager in Ravensburg

von Matthias Hoffmann

Dieses Ereignis liegt schon einige Monate zurück. Trotzdem werde ich versuchen, einen möglichst detaillierten Bericht abzugeben, was wir während dieser Woche im Trainingslager Ravensburg so durchgemacht haben.

 

Gruppenfoto mit Sensei Seiji Nishimura

Es begann an einem Samstag, am fünften August des Jahres 2006. In der Mittagszeit, es ging auf 13 Uhr zu, ging die Fahrt zu einem der schönsten Erlebnisse, die ich mit dem Karatetraining verbinde, los. Das Karate-Trainingscamp in Ravensburg lockte uns mit dem Versprechen auf viel Training, müde Knochen und Eis. Nachdem alles Gepäck sicher verstaut war, begann eine lange Fahrt über den Schwarzwald hinunter zum Bodensee und weiter nach Ravensburg. Zusammengepfercht auf wenig Raum mit fünf Personen ereilte den Gürtelhöchsten kurz vor der Zugspitze eine Übelkeitsattacke, die ihm rasch einen besser belüfteten Platz vorne als Beifahrer einbrachte. Vollauf zufrieden mit dieser Entwicklung sorgte das Übelkeitsopfer bald für stimmungsvolle Musik, die von Klassik bis Rock reichte, und verteilte aus einer Tüte Äpfel an seine hungrigen Kollegen.

 

Unterwegs im Auto

In Ravensburg angekommen, beschlagnahmen wir sofort unseren angestammten Zeltplatz, wohl wissend, dass uns damit das Glück während dieser Trainingszeit wohlgesonnen sein würde. Nachdem alle Zelte aufgebaut und ihre Ausrichtung zueinander angepasst worden war, wurde dicke eingekauft, um uns sicher, satt und glücklich einen gemütlichen Sonntag machen zu können. Wie jedes Jahr nutzten wir auch dieses Mal wieder die Einkaufswagen, um unsere Vorräte bis an den Zeltplatz zu bringen, wobei wir, ebenfalls wie immer, viele grinsend, verwunderte Blicke auf uns zogen. Um uns an diesem Abend die Zeit zu vertreiben, beschlossen wir einen Spaziergang hinauf zur Burg zu machen, ebenfalls eine traditionsbeladene Tat. Unterwegs ließen wir es uns nicht nehmen, an "unserer" Eisdiele vorbeizuschauen und uns ein paar Kugeln mit auf den Weg geben zu lassen. Oben auf dem Platz war ein Fest im Gange, das wir vom letzten Jahr schon kannten. Bei dieser Gelegenheit wird viel getrunken und alle möglichen Gruppen treten auf, um Musik zu machen. Leider waren die Preise derart hoch, dass wir es uns verkniffen, länger zu verweilen und uns bald wieder aus dem Staub machten.

 

Auf einem Spaziergang

An diesem Abend saßen wir noch eine Weile unter einem Baum vor unseren Zelten und vertrieben uns die Zeit, tranken am Mittag gekauftes Radler und ärgerten uns darüber, dass es anfing zu nieseln. Da schon das Trainingslager 2005 von Regen überschattet gewesen war, hofften wir diesmal davon verschont zu bleiben. Doch unsere Hoffnung sollte sich noch früh genug zerschlagen. Jeder schlief gut in dieser Nacht, das nehme ich zumindest an, da mir nichts Gegenteiliges berichtet wurde, doch wachten wir beim Klang schlagender Tropfen auf. Es regnete, nicht stark, nicht kalt aber es regnete. Und es hatte offenbar schon eine ganze Weile geregnet, denn unsere Zelte waren nass und kleine Teiche hatten sich auf unseren Vordächern gebildet. Das Frühstück wurde dann von Niki und mir in das größte Zelt, das der Gebrüder Dorner verlegt, die fast noch schliefen, was uns aber nicht aufhielt. Vor allem Coy war ziemlich krätzig an diesem Morgen, musste sich aber der Gewalt beugen. Bei dieser Gelegenheit diskutierten wir über einen gewagten Schritt der so manche Gefühlskontroverse hervorrief, den Umzug in eine trockene Halle. Allein der Gedanke schien zuerst absurd, waren wir doch starke Karateka, die sich Wind und Wetter nicht beugen würden. Letztlich siegte die Vernunft und die Bequemlichkeit. Die Aussicht auf trockene Gis und eine warme Unterkunft zermürbte unsere Einwände und letztlich zogen wir um.

 

Die leere Halle

Die Halle erfüllte alle Erwartungen, die wir in sie gesetzt hatten und bot viel Platz und Raum für Bewegung. In einem kleinen abgegrenzten Bereich hatten wir unsere Habseligkeiten untergebracht und versuchten nun, sehr ausdauernd, überschüssige Kraft in Basketball spielen und andere Aktivitäten zu investieren. Später am Tag meldeten wir uns am KJC für die kommende Woche als Trainingsteilnehmer an, wobei wir nicht um einen Besuch der Eisdiele herum kamen, und kochten über Gas- und Petroleumkochern ein überreichliches Mahl aus Nudeln und Tomatensoße. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Halle noch nicht sonderlich gefüllt und wir hofften naiverweise, die Halle möge auch weiterhin so leer bleiben. Ein späteres Bild wird die Hoffnungslosigkeit einer solchen Idee dokumentieren.

Eine Anmerkung am Rande sei mir gestattet: Da alle Teilnehmer dieses Camps sehr konzentriert trainiert hatten, blieb wenig Zeit und Raum, Aufnahmen während des Trainings zu machen. Ich bitte um Verständnis. Das ist auch der Grund warum die meisten Fotos Freizeitaktivitäten zeigen, was nicht den irrigen Schluss zulassen sollte, dass wir wenig trainiert hätten.

 

Sportlichkeit kennt keine Grenzen

Am nächsten Tag, wir schrieben mittlerweile den siebten August, einen Montag, begann das Training. Niemand von uns konnte sich dazu durchringen das Tai Chi Training zu besuchen. Jeder hatte sich aus dem Trainingsplan drei bis vier Einheiten ausgesucht, die seinen Interessen entsprachen. Auf Hinweis von Sensei Pascal versuchte sich einer darin, möglichst viele Kumiteeinheiten zu besuchen, während andere ihre Interessen breit streuten. Dieser erste Trainingstag endete sportlich und begeistert, jeder spürte Kräfte und Muskeln, die lange vergessen schienen, und die Stimmung an diesem Abend war sehr gut.

 

An unserer Eisdiele

 

Auf einem anderen Spaziergang

Wie könnte es anders sein? Der Abend wurde würdig zu Ende gebracht, indem wir unsere ach so geliebte Eisdiele aufsuchten. Übrigens ein Ritual das allabendlich vollzogen wurde!

Einem gemütlichen Spaziergang durch die schöne Altstadt Ravensburgs stand nichts mehr im Wege und wir stimmten uns so auf den Abend ein, den wir, in aller Ruhe und Stille in der Halle beim Kartenspiel verbrachten, während im Flur der Halle unsere Gis von einem eigens mitgebrachten Heißluftventilator getrocknet wurden. Denn draußen regnete es weiter und feiner Sprühregen kühlte jedes Mal unseren Gi, wenn wir von einem Training zum anderen wanderten. Zum Glück hatten wir in der Halle herrlich heiße Duschen, die verspannte Muskeln immer wieder aufs neue wärmen und lockern konnten.

Der dritte Morgen in Ravensburg brach für uns an und wir erinnern uns an den vergangenen Tag. Lange vergessene Kräfte hatten sich über Nacht aus dem Staub gemacht und ebenso lange vergessene Muskeln forderten jammernd und klagend, dass wir im Schlafsack bleiben mögen. Mochten wir aber nicht, und so begann der Kampf ums Aufstehen, der am dritten Tag seinen Höhepunkt erreichen sollte.

Mittlerweile hatte sich die Halle weiter gefüllt und nur die weise Voraussicht von Clemens rettete unsere Nachtruhe. Er hatte nämlich ein paar überschüssige Ohrenstöpsel mitgebracht, die er freigiebig verteilte. Immerhin hatten ältere Hallenbewohner eine Nachtruhe gegen 22 Uhr oder nur wenig später durchgesetzt. Ab diesem Zeitpunkt wurde das Licht in der Halle gelöscht und alle bewegten sich vorsichtiger und ruhiger, ganz einfach weil es dunkel war.

Eine sehr löbliche Bewegung muss noch berichtet werden. In stolzer Begeisterung für den Sport hatte man in unserer Gruppe beschlossen abends noch Kraft-, und Dehnübungen durchzuführen, die unsere Muskeln zwar immer wieder zu boykottieren versuchten, welche aber trotzdem an mindestens vier der sechs Abende durchgeführt wurden.

 

Die volle Halle

Dass das Training unsere Tage beherrschte ist schon erwähnt worden aber nicht nur das ist es, was den Reiz der Ravensburger Woche ausmacht. Viele gemeinschaftliche Streifzüge und Unternehmungen machen die Tage immer wieder zu einem Erlebnis. Genau wie die Jahre zuvor war auch in diesem Jahr eine Kampfsportgala in Verbindung mit den Finalkämpfen des "European Mastercup" angesetzt worden, welche am Donnerstag Abend stattfand und zu der jeder Lehrgangsteilnehmer eine Karte bekommen hatte. Neben diesen offiziellen Programmpunkten wurde unsere Freizeit durch Eigeninitiative ausgefüllt. So waren wir zwischendrin einmal im Kino, kochten zweimal für die Gruppe (sonst ernährten wir uns von Dosenfutter), wanderten viel durch Ravensburg (wobei wir uns einmal so weit an den Stadtrand verirrten, dass wir mehr durch Glück wieder die Halle fanden), spielten Karten (oder weigerten uns wenn wir zu oft verloren), gingen mal Sushi essen und schrieben Karten an unsere Liebsten. Nebenher klagten wir über Muskelkater und Prellungen und gingen doch weiter zu jedem Training. Besonders Clemens und Coy waren ganz versessen darauf, ihre Stempelkarte so voll wie möglich zu bekommen, wobei man sich nicht nur an Karate hielt, sondern auch die Waffenformen des Kobudo, vor allem die Bo-Einheiten, gerne einmal ausprobierte. Bloß eine Schande müssen wir uns eingestehen: Keiner von uns hat es in dieser Woche geschafft das Tai-Bo Training zu besuchen, wir waren alle zu kaputt.

 

Trainingseinheit zur Gürtelprüfung

Damit endet mein Bericht, der mir, während ich ihn schrieb, so manche schöne Erinnerung zurückrief. Ich bedanke mich für alle, die in unserer kleinen Gruppe mittrainiert haben, dafür, dass das Karate-Sommercamp auch im Jahr 2006 ein tolles Erlebnis war und bitte um Entschuldigung, dass ich so lange mit dem Schreiben dieses Berichts gewartet habe.


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