Kankeiko in Eggbergen 17.-19.01.2003

Oder viel Training, wenig Schlaf und viel „socialising“ ...
Von Ulrich Holzhäuser

Das japanische Wort „Kankeiko“ setzt sich zusammen aus kan (kalt) und keiko (Training) und ergibt somit „kaltes Training“. Es handelt sich dabei um ein Trainingslager in der kältesten Jahreszeit. Obwohl in Japan integraler Bestandteil des Karatetrainings, ist ein „kaltes Training“ in Deutschland doch noch eher unbekannt. Solch ein Kankeiko wurde vom Karate Dojo Müllheim vom 17.-19.1.2003 in Eggberge/Schweiz ausgerichtet. Als Gast Instruktor hatte das Müllheimer Dojo Sensei Derek Ridgeway, 6. Dan Chief Instructor,  Kanzoku-Kai International aus Großbritannien eingeladen. Derek, der mit zehn seiner Schüler angereist kam, ist hauptsächlich als stilrichtungsübergreifender Kata-Spezialist bekannt. Seine spektakulären Kata Bunkai, insbesondere den Aspekt der Selbstverteidigung berücksichtigend, sind vielen aus diversen Lehrgängen noch bestens bekannt. Pascal Petrella vom Dojo Müllheim musste mich also nicht lange zu diesem „Event“ überreden.

Eggberge ist am Vierwaldstädter See, südlich von Luzern  gelegen. Das Training fand im weit über die Grenzen der Schweiz bekannten Judohaus statt. Das auf 1250 Höhenmetern gelegene Haus ist nur per Seilbahn zu erreichen und bietet Übernachtungsmöglichkeiten für maximal 22 Personen. Obwohl ursprünglich für Judoka konzipiert, wird es inzwischen von allen Arten von Budo Trainierenden genutzt. Übernachtet wird in Gemeinschaftsräumen, ähnlich einer Jugendherberge. Das eigentliche Dojo ist der im Untergeschoss ca. 60 m² große, mit Tatami (Matten) ausgelegte Raum. Was das Judohaus jedoch so einmalig macht, ist die Lage in den Schweizer Alpen und der damit verbundene fantastische Panoramablick.

Die deutsche Kankeiko Fraktion traf sich am Freitag Nachmittag in Müllheim zur gemeinsamen Fahrt nach Eggberge. Nach einem kleinen Umweg über Zürich, um Derek und seine Schüler vom Flughafen abzuholen, ging es endgültig in Richtung Eggberge. Aufgrund einiger orientierungs- und verkehrstechnischer Probleme erreichten wir am Abend leicht verspätet endlich die Talstation, leider ca. 30 Minuten nach der letzten Fahrt! Glücklicherweise hatte sich Pascal rechtzeitig mit der Talstation in Verbindung gesetzt, sodass wir trotz unserer Verspätung im Dunkeln so gegen acht Uhr abends endlich das Judohaus erreichten. Wegen der späten Ankunft wurde das geplante „Welcome Training“ kurzerhand als „Farewell Training“ auf Sonntag früh verlegt und gleich zum gemütlichen Teil übergegangen. Dank einer guten Portion Spagetti Bolognese und diverser „Flüssignahrung“ wurde zu später Stunde schließlich die nötige Bettschwere erreicht.

Samstag früh 5:45: Pascal rief zum ersten Training. In warme Kleider gepackt, ging es zu einem kurzem Lauf im Schnee. Pascal suchte für uns eine geeignete Stelle aus, um einige Techniken zuerst ohne und danach mit Partner zu üben. Jeder „durfte“ einige Male zählen, um richtig wach zu werden. Nach ca. 20 Minuten ging es wieder zurück zur Hütte. Wer bis dahin immer noch nicht wach war, dem wurde spätestens durch das darauffolgende Pratzentraining das letzte Bisschen Müdigkeit ausgetrieben. So mancher hatte an diesem Morgen die Spagetti Bolognese vom Vorabend verflucht, die wie ein Backstein im Magen lagen und sich bei jedem (Ein)schlag meldeten! Im Anschluss an diese Einheit genoss jeder das wohlverdiente Frühstück. Da inzwischen auch die Sonne aufgegangen war, wurde spätestens jetzt jedem die Schönheit dieser Gegend bewusst. Der klare, blaue Himmel erlaubte einen wirklich atemberaubenden Panoramablick über die Schweizer Alpen.

Die nächsten zwei Trainingseinheiten wurden von Derek abgehalten und hatten den Schwerpunkt Kata. Derek nutzte das Mittagstraining, um uns den Ablauf der Kata Tomari-Bassai beizubringen. Die Kata Tomari-Bassai ist eine alte, von Okinawa stammende und hauptsächlich von Shito-Ryu Stilisten geübte Kata. Obwohl gewisse Ähnlichkeiten mit den uns bekannten Shotokan Kata Bassai-Dai bzw. Sho existieren, benötigte Derek die gesamte Einheit, um uns diese Kata beizubringen.  Das Abendtraining wurde von Derek genutzt, um uns einige Bunkai der Kata zu zeigen. Unnötig zu sagen, dass seine spektakulären Anwendungen jeden begeistert haben. Es ist doch immer wieder faszinierend, welche Bedeutung eine kleine Bewegung in einer Kata haben kann! Der restliche Abend wurde, trotz Müdigkeit Aller, bis in die frühen Morgenstunden zu einem gemütlichen, feucht-fröhlichen Beisammensein genutzt.

Sonntag 8:00 morgens: Pascal übernahm das „Farewell Training“. Schwerpunkt seines Trainings waren „Open Hand“ Kombinationen basierend auf den Ideen von Sensei Kase. Ziel war es, möglichst stark und realistisch zu blocken, um dann mittels einer Hente Technik (d.h. der blockende Arm kontert) einen Gegenangriff auszuführen. Für diejenigen, die regelmäßig unter Sensei Kase trainieren, waren diese Kombinationen „bekanntes Terrain“, für die hauptsächlich den Shito-Ryu Stil ausübenden englischen Gäste eine sicherlich interessante Erfahrung. Unabhängig von der Stilrichtung schaffte es Pascal jedenfalls, uns alle an unsere Grenzen heranzuführen.

Nach einem ausgedehnten Brunch war es an der Zeit, Abschied zu nehmen. Derek und seine Schüler mussten zurück zum Flughafen gebracht werden. Die restlichen müden Krieger machten sich direkt auf den Heimweg, um einige wohlverdiente Stunden Schlaf nachzuholen.

Fazit: Trotz eklatantem Schlafmangel hat es riesigen Spaß gemacht! Bleibt nur eins zu sagen:

„See you next year in Eggberge"

Ulrich Holzhäuser


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